Ein Markenrätsel, das dieses Werk fast seit seinem Bestehen begleitet hatte, konnte nun endlich gelöst werden. In den Chemnitzer Bürgerbüchern wird am 10.Oktober 1785 August Heinrich Hesse, Gold- und Silberarbeiter aus Braunschweig, als Bürger genannt. Durch diesen Eintrag konnte endlich das MZ (A/HH) einem Chemnitzer Goldschmied zugeordnet werden.
BZ: Chemnitz, links (um 1790), mitte (um 1800), rechts (1811 datiert), MZ: AHH = August Heinrich Hesse
Bereits zuvor wurde bei einer Saliere der zweiten Hälfte des 18. Jh. vermutet, dass es sich bei dem MZ (I/G.S) um den aus Naumburg stammenden Meister Johann Gottlieb Sonnenkalb handelt, der am 30.Dezember 1768 als Gold- und Silberarbeiter Bürger in Chemnitz wird.
So sehr ich Rosenberg und W.Scheffler schätze und verehre, es kommt doch hin und wieder vor, dass eine Zuschreibung voreilig erfolgte und diese dann von anderen Autoren übernommen wurde, ohne zuvor die Plausibilität zu prüfen. Ein solches Beispiel zeigt die Zuschreibung einer Lilien-Marke nach Gnoien in Mecklenburg.
Rosenberg bezieht sich dabei unter R³ Nr.2213 auf Schlie (K- u. Geschichtsdenkm. des Großherzogt. Mecklenburg-Schwerin I, Schlie, Rostock etc. S. 582 u. 587 auch S. 592 u. 601.). Es wird dabei für Gnoien eine Lilie als BZ in Anspruch genommen und weder Meisterzeichen noch Goldschmiede in Gnoien erwähnt.
Wolfgang Scheffler nennt in seinem Werk über die Goldschmiede in Mittel- und Nordostdeutschland (S.61f) mehrere Werke aus dem 18. Jh. mit einer Lilie als Beschauzeichen, kann jedoch keinen einzigen Goldschmied in dieser Zeit in Gnoien nennen.
Auch die eigene Recherche in den Kirchenbüchern von Gnoien brachte im 18. Jh. keinen einzigen Goldschmied ans Licht. Die von Scheffler genannten Objekte #126 MZ: (GW), #127 MZ: [IW] datiert 30.6.1765, #128 MZ: (IG) im Herz blieben also jeweils ohne einen Namen, befinden sich jeweils in der Kirche in Dargun, einer Nachbarstadt von Demmin und Gnoien.
Anders in Demmin, wo Scheffler die Goldschmiede Nr.1 Andreas Stockfisch (erw. 1719), Nr.2 Johann Heinrich Mundt (erw. 1719), Nr. 3 Giese (erw. 1764), Nr.3a Johann Jacob Harck (get. am 10.9.1767 in Malchin), Nr. 4 Robert Ockel (erw. 1820-1879) nennt, ihnen aber keine Werke und Marken zuschreiben kann.
Wie kam die falsche Zuschreibung der Lilien-Marke nach Gnoien zustande? Das Stadtwappen von Gnoien zeigt einen geteilten Schild, der auf der linken Seite eine Lilie und auf der rechten Seite den Kopf des Mecklenburger Stieres führt. Das Wappen von Demmin zeigt ein Stadttor mit zwei Türmen, die jeweils eine Lilie auf der Turmspitze ziert, über den Zinnen ein Ritter mit Helm und Schild, auf dem der Pommersche Greif zu sehen ist.
Alte Münzen und Zinnmarken von Demmin zeigen jedoch nicht das heutige Wappen von Demmin, sondern eine Lilie. Die Stadt Dargun befindet sich etwa in der Mitte zwischen den Städten Gnoien und Demmin.
Die Stadt Sternberg befindet sich in Mecklenburg im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Heute zählt die Stadt knapp über 4200 Einwohner. Das Stadtwappen zeigt einen gespaltenen Schild, auf der linken Seite einen halben Stierkopf und rechts einen halben achtstrahligen Stern.
Scheffler nennt in Sternberg zwischen 1805 und 1903 fünf Goldschmiede, jedoch keine Marken und auch kein einziges Werk. Als Nr. 2 wird Johann Heinrich Christian Conradi, geboren am 12.3.1800 in Schwerin als Sohn des GS Georg August Friedrich Conradi (s.d.Nr.66) genannt. Er heiratet in Sternberg am 26.9.1823 Catharina Maria Goering, Tochter eines Strand Inspectors in Rostock. Über den Tag seines Todes werden keine Angaben gemacht.
Kirchberg an der Jagst liegt an der württembergisch-bayrischen Grenze und befindet sich im Landkreis Schwäbisch Hall. Kirchberg als Mittelpunkt und Teil der hohenloher Herrschaft und ihres Landes lag zwischen 1500 und 1806 im Fränkischen Reichskreis.
Wappen von Kirchberg (l) und den Fürsten von Hohenlohe (r)
Die Stadt Staufen befindet sich heute im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Während die Stadt heute ca. 8000 Einwohner zählt, lebten 1863 ca. 1700 Einwohner in Staufen. In der Literatur ist diese Region bisher kaum erfasst worden und somit ist man darauf angewiesen, direkt die Quellen zu untersuchen.
Dankenswerterweise findet man einige Kirchenbücher der Region im Landesarchiv Baden-Württemberg, wo sie digitalisiert, online und frei zugänglich sind.
So konnte mit Hilfe der katholischen Kirchenbücher ein 1830 datierter Patenlöffel mit dem Beschauzeichen von Staufen dem Meisterzeichen [FM] dem Goldarbeiter Fridolin Metzger zugeordnet werden.
Kupferstich von Matthäus Merian, Duisburg 1647 in Topographia Westphaliae*
In der Literatur findet man bisher kein Beschauzeichen von Duisburg. Immerhin werden 37 Goldschmiede im Werk von Wolfgang Scheffler genannt, wobei zwei Meister auch mit Werken und Meisterzeichen erwähnt werden, jedoch kein Beschauzeichen tragen. Das Stadtwappen von Duisburg zeigt aber einen Reichsadler, das Symbol für eine Reichsstadt, darunter eine Burg mit drei Türmen.
Stadtwappen Duisburg
1666 fiel Duisburg mit dem Herzogtum Kleve an Brandenburg-Preußen. 1674. verbot Friedrich Wilhelm der Stadt, sich weiterhin als Reichsstadt zu bezeichnen.*
Im Juli 2008 wurde bei Wendl unter der Katalognummer 1300 ein Deckelpokal angeboten (H 33cm M 452g), der dort wegen des Doppelkopfadlers als BZ wohl Lübeck zugeordnet worden ist. ** Die Inschrift „Henrich Schürmann 1700“ deutet aber auf die Herkunft Nordrhein-Westfalen, wo der Name Schürmann noch heute besonders zu finden ist.
Abbildung 1: Allianzwappen von Brandenburg Altstadt (l) und Neustadt (r) seit 1715
Die westlich von Berlin gelegene Stadt Brandenburg an der Havel besteht aus der Altstadt und der Neustadt, die nach der Vereinigung beider Stadtteile 1715 ein Allianzwappen führen, das die beiden Stadtwappen nebeneinander zeigt (Abbildung 1). Das Stadtwappen der Neustadt besteht aus einem Stadttor mit fünf Türmen. Im Stadttor steht mit erhobenem Schwert und dem brandenburgischen Adler auf dem Schild, ein Roland, der die städtische Eigenständigkeit symbolisiert (Abbildung 2).
Wolfgang Scheffler nennt in seinem Werk über die Goldschmiede in Mittel- und Nordostdeutschland insgesamt 36 Goldschmiede. Es werden jedoch keine Beschauzeichen oder Meisterzeichen und auch keine Arbeiten für die Zeit vor dem 19. Jh. erwähnt.
Es tauchte nun eine alte Schale im Handel auf, die wohl um 1740 gefertigt wurde und die offensichtlich* das Beschauzeichen (BZ) von Brandenburg (Neustadt) sowie das Meisterzeichen (MZ) [EFF] trägt (Abbildung 3).
Abbildung 2: Stadtwappen Brandenburg Neustadt
Scheffler nennt in den in seinem Werk passend zum MZ [EFF] einen Meister Eckardt Friedrich Fleischer (vgl. [SCHEF MND] Nr. XI (Nachträge)). Er war Goldschmied und zwischen beiden Städten wohnend. Seine Frau wurde am 4.7.1760 und er selbst am 17.4.1763 begraben.
Abbildung 3: MZ: EFF = Eckardt Friedrich Fleischer und BZ: Brandenburg Neustadt um 1740
Das Beschauzeichen einer Kanne wurde bereits in einem Artikel von Werner Schmidt in der Weltkunst „Vergessene Goldschmiedemarken“ Teil 25. vorgestellt.
Es handelte sich dabei um das BZ von Bad Cannstatt (heute ein Stadtteil von Stuttgart) und das Meisterzeichen [CH] = Carl Friedrich Heermann, der am 23.10.1818 in Vaihingen geboren wurde, am 14.September 1845 als Gold- und Silberarbeiter in Cannstatt heiratete und dort am 18.7.1903 gestorben ist.
Ein weiterer 1861 datierter Löffel trägt das Meisterzeichen [Schäfer] des Franz Anton Schäfer, Bürger in Altshausen, Gold- und Silberarbeiter in Bad Cannstatt, katholisch geboren am 5.Januar 1822 in Altshausen als Sohn des Karl Schäfer, Gold- und Silberarbeiter in Altshausen. Er heiratet am 14.Januar 1844.
BZ: Bad Cannstatt 1861 datiert, MZ: Franz Anton Schaefer
Aufgrund erhaltener kirchlicher und profaner silberner Gegenstände, die auch archivalisch gut dokumentiert sind, ist die Goldschmiedekunst der großen Städte des heutigen Hessen, wie Frankfurt, Mainz, Darmstadt und Kassel relativ gut erforscht und Einiges über Hanau und Marburg bekannt.1
Aber selbst dort fehlen durchgehend die Beschauzeichen (BZ) und Meisterzeichen (MZ) oder existieren nur in schlechter Abbildungsqualität. Beiträge aus neuerer Zeit mit erweiterten Meisterlisten, guter Darstellung der BZ und MZ, sind keineswegs vollständig2 oder zeigen keine oder nur wenige Objekte.3
Ausgangspunkt und Namensgeber für Rotenburg (Fulda) ist die Burg Rodenberg, die etwa 1150 von den Thüringer Landgrafen erbaut worden war. Obwohl schon 1212 zum zweiten Mal durch König Otto IV. zerstört, sind ihre Reste noch heute in der Nähe des Ortes zu besichtigen. Wohl zwischen 1180 und 1190 gegründet, wird Rotenburg erstmals urkundlich 1248 als Stadt erwähnt und gehörte seit 1264 zur Landgrafschaft Hessen-Kassel. 1340 wird die Neustadt als eigene Gemeinde angelegt. Erst 1607 sollten Alt- und Neustadt zu einem Ort vereint werden.
Abb. 1: Rotenburg auf einem Stich von Matthäus Merian von 1655 (Quelle:Wikipedia)
1478 zerstörte ein großer Brand die Altstadt und auch das erst 1470 erbaute erste Schloß. Schon 1528 nahm Rotenburg das lutherische Bekenntnis an. Das 1570 von Landgraf Wilhelm IV. erbaute neue Renaissance-Schloß bewohnten ab 1627 bis 1834 die Mitglieder der landgräflichen Nebenlinie Hessen-Rotenburg (sogen. „Rotenburger Quart). Nach deren Erlöschen fiel 1834 das Territorium wieder an Hessen-Kassel zurück.
Die Errichtung einer Schleuse durch Landgraf Moritz den Gelehrten machte ab 1601 eine geregelte Flussschifffahrt auf der Fulda möglich. Im Dreißigjährigen Krieg brannten 1637 sechs Soldaten des kaiserlichen Regimentes Isolani die Stadt samt Rathaus nieder.
Der Eisenbahnanschluss brachte 1848 endlich Belebung, denn sonst hatte lediglich die Tuchmacherei eine gewisse Bedeutung. Bis 1972 Kreisstadt des gleichnamigen Altkreises, gehört der Ort seitdem zum Landkreis Hersfeld-Rotenburg.1, 2